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Marktwert ersetzt den innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 29. April 2016 (BLw 2/12) einen Paradigmenwechsel bei der Bewertung von Leistung und Gegenleistung bei Verkäufen landwirtschaftlicher Grundstücke vollzogen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG kann eine grundstücksverkehrsrechtliche Genehmigung versagt werden, wenn zwischen Preis und Wert des Grundstücks ein grobes Missverhältnis besteht.

Wie dieser Wert zu bemessen sei hat unlängst (indirekt) der Europäische Gerichtshof geurteilt. Der Bundesgerichtshof folgert aus der Entrscheidung des Europäischen Gerichtshof eine Abkehr früherer Bewertungsgrundsätze. Unter dem Wert des Grundstücks im Sinn des sei nicht mehr dessen innerlandwirtschaftlicher Verkehrswert, sondern dessen Marktwert zu verstehen. Dieser Wert bestimmt sich nach dem Preis, den Kaufinteressenten – auch Nichtlandwirte – für das Grundstück zu zahlen bereit sind. Mit dieser Aussage hat der BGH seine frühere Rechtsprechung explizit aufgegeben. Nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs würde andere Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG als eine staatliche Beihilfe zugunsten der landwirtschaftlichen Unternehmen darstellen. Ob diese Beihilfe im Hinblick auf den mit dem Grundstückverkehrsgesetz verfolgten agrarstrukturellen Zweck gerechtfertigt ist, obliegt nicht der Beurteilung der Gerichte. Für diese Entscheidung ist ausschließlich die EU-Kommission zuständig, die dabei der Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs unterliegt. Eine Fortführung der bisherigen Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG wäre dem Bundesgerichtshof daher nur dann möglich gewesen, wenn die Bundesrepublik Deutschland die Vorschrift als Beihilfemaßnahme bei der Kommission notifiziert und diese deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt nach § 108 Abs. 3 AEUV festgestellt oder nach Ablauf der für die Prüfung erforderlichen Frist sich nicht geäußert hätte. Als staatliche Beihilfe können allerdings nur Verkäufe durch eine staatliche Einrichtung, jedoch nicht Verkäufe durch Private qualifiziert werden. Die Bestimmung des Grundstückswerts nach dem innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert nur bei den Verkäufen Privater würde indes zu einer Ungleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte bei der Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG führen. Private Eigentümer könnten ihre land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke dann nämlich nicht zu den am Markt erzielbaren Preisen verkaufen, die die Beteiligte zu 1 bei den für Rechnung des Staates durchgeführten Verkäufen durchsetzen kann. Um sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen zu vermeiden (Art. 3 Abs. 1 GG), ist die Bestimmung des Grundstückswerts allgemein nicht mehr nach dem innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert, sondern nach dem Marktwert vorzunehmen.

Vor diesem rechtlichen Hinrtergrund hat der Bundesgerichtshof konkret festgehalten, dass auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Preis und dem Wert des Grundstücks gestützte Versagungen von Verkäufen an den Meistbietenden in einem offenen, transparenten und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahren nur dann rechtmäßig sind, wenn das Höchstgebot nicht den Marktwert widerspiegelt, sondern spekulativ überhöht ist. Maßgebendes Kriterium dafür sind in erster Linie die in dem jeweiligen Verfahren abgegebenen Gebote.